Cost Breakdown COVID 19 Gesichtsschutzschild

Cost Breakdown

In diesem Praxisbericht kalkuliere ich die Kosten eines Gesichtsschilds. Der Gesichtsschutz wird mittels 3D-Druck hergestellt. Das Modell, das ich kalkuliere stammt von Prusa Research.

Insgesamt betrachte ich drei Szenarien. Dieses Beispiel wird vor allem wegen den Lohnkosten und deren Auswirkung auf die Herstellkosten interessant. Einen besonderen Blick werfen wir auf China. Danach vergleichen wir die Kalkulation mit aktuellen Preisen aus dem Internet. Spannend! Wir werden sehen, was eine Krise (Angst) gepaart mit einer hohen Nachfrage und einem zu kleinen Angebot mit dem Preis macht und wie groß die Gewinnmarge werden kann.

Wenn du derartige Schilde herstellst oder einkaufst, wirst du danach wissen, wie der Preis zustande kommt und wie teuer eine solche Maske sein muss bzw. darf.

Inspiriert wurde dieser Artikel von einem befreundeten Formenbauer und Maker aus Brandenburg a.d. Havel. Er hat seine Produktion, wegen der Corona-Krise, auf Gesichtsschilde umgestellt. In diesem Zuge hat mich die Kostenstruktur eines solchen Schildes interessiert.

Hier geht’s zum Video: Cost Breakdown Gesichtsschild

Das Ziel

Im vorliegenden Fall diente die Kostenkalkulation dazu:

  • Die Kosten und den Preis eines Gesichtsschild, welche in Kleinserien mittels 3D-Drucker hergestellt werden, zu ermitteln

  • Content für die Cost Down Community zu erstellen, in dem wir einen Einblick in die 3D-Druck Technologie, Kosteneffekte von Löhnen und unterschiedlichen Herstellländern in drei Szenarien geben

  • Maskenherstellern, welche ihr privates Vermögen für den guten Zweck investieren, und Maskenkäufern, welche gerade mit hohen Preisen zu kämpfen haben, eine Grundlage für die Preisdurchsetzung zu geben

Die Methode

Als Kosteningenieur setzte ich die Bottom Up Kalkulation ein um auf Basis der Fertigungsprozesse eine praxisbezogene, realistische und robuste Kalkulation aufzubauen.

Die Methode der prozessbasierten Zuschlagskalkulation hat praktische Vorteile:

  • Im Fokus stehen die Prozesse, welche zur Erzeugung des Bauteils notwendig sind, wodurch die Methode sehr praxisnah ist

  • Die Kalkulationsgüte und Detailtiefe ist hoch, was bei der Identifizierung der Kostenhebel, der Ideenfindung und in der Verhandlung mit Lieferanten erfolgsentscheidend ist

  • Es können neben den Fertigungskosten der einzelnen Fertigungsschritte auch Zuschläge berücksichtigt werden, wodurch schnell und einfach ein Preis ermittelt werden kann

Der checklistenartige Aufbau sorgt für eine schnelle Kalkulationserstellung.

Das Ergebnis

Unser Betrachtungsgegenstand ist in Abbildung 1 zu sehen.

Das Gestell wurde von der Firma PRUSA entwickelt und als Antwort auf die Knappheit an Schutzausrüstung im Internet zum Download zur Verfügung gestellt. Menschen, welche einen 3D-Drucker besitzen und in der Corona-Krise durch die Produktion von Schutzausrüstung helfen wollen, können das 3D-Modell herunterladen und Gestelle drucken.

In diesem Fall handelt es sich um den Druck von Kunststoffgestellen mit einem 3D-Drucker, wie jeder ihn im Internet kaufen kann. Das Material, eine Kunststoffrolle, wird dem Düsenkopf zugeführt, welcher den Kunststoff aufschmilzt. Durch Verfahren des Kopfes durch Achsen und elektrischen Stellmotoren wird der flüssige Kunststoff auf eine Grundplatte aufgetragen. Nach einem Zyklus fährt der Düsenkopf einen Schritt nach oben und baut die nächste Schicht auf. Dieser Prozess wird solange wiederholt, bis das Bauteil fertig ist.


Abbildung 1 Komponenten eines Gesichtsschild und Herstellprozess

Um einen kompletten Bausatz zu haben, benötigt man jedoch auch noch einen Lochgummi und einen Schirm aus Plexiglas.

Gerade hier haben sich die Materialpreise verdoppelt oder verdreifacht. Wer also helfen möchte geht ein eigenes Risiko ein, weil er sein eigenes Kapital einsetzt und bindet. Mit dem Risiko eventuell auf dem Material sitzen zu bleiben, wenn der Bedarf doch nicht so hoch ist.

Mit einer korrekten Kalkulation können wir die folgenden Fragen beantworten.

Du stellst Gesichtsschilder her?

  • Welche Kosten musst du decken?

  • Welchen Preis darfst du verlangen ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen?

Du kaufst Gesichtsschilder ein?

  • Was ist ein fairer Preis und was ist heillos überteuert?

  • Mit welcher Basis kannst du in die Verhandlung mit einem Lieferanten eintreten?

Ich haben drei Szenarien betrachtet, wie du in Abbildung 2 sehen kannst.

Abbildung 2 Szenarien Übersicht

Szenario 1 zeigt ein Unternehmen, dass ganz regulär Gesichtsschilde herstellt. Es verdient damit sein Geld und muss seine Kosten decken um z.B. Löhne zahlen zu können.

Szenario 2 zeigt einen Menschen der privat hilft und deswegen auf Lohnkosten weitestgehend verzichtet. Die Materialpreise und die Prozesskette verändert sich nicht ggü. Szenario 1.

Szenario 3 soll zeigen, wieviel ein in China hergestelltes Gesichtsschild mit gleichen Materialpreisen, der gleichen Bauweise und Fertigungskette, kostet.

In Abbildung 3 kannst du deutlich erkennen, dass sich die Kostenblöcke Materialeinzelkosten (MEK) und die Kosten der direkten Arbeitskräfte von allen anderen Kostenpositionen deutlich abheben.

Abbildung 3 Cost Breakdown Szenario 1

Die Kosten für den 3D-Drucker sind eher gering und vernachlässigbar. Der Prozess ist sehr stabil (Erfahrungswerte basieren auf PRUSA 3D Drucker) und bedarf sehr geringer Überwachung. Das Rüsten, was sich vor allem auf die Teileentnahme und den Start des Druckprozesses bezieht, wurde mit 5 Minuten berücksichtigt. DU siehst an Hand der Rüstkostenposition, dass dieser Kostenbestandteil nicht sonderlich ins Gewicht fällt.

Die bereits genannte Verdreifachung des Preises für Plexiglasplatten und Lochgummi steigert die Materialeinzelkosten. Das Ausgangsmaterial für den Schirm wird in Platten (2m x 1,2m) beschafft und kostet 20,21 €/Stk. Der Lochgummi ist Meterware und wurde mit 3 Euro den Meter berücksichtigt.

Aufgrund vieler manueller Tätigkeiten, wie das Zuschneiden des Schirms und das Verpacken der Bausätze ist der Kostenblock für die direkten Arbeitskräfte relativ hoch.

In Abbildung 4 siehst du die Auswirkungen, wenn aufgrund von Hilfsbereitschaft auf reale Lohnkosten verzichtet wird.

Abbildung 4 Cost Breakdown Szenario 2

Die Kosten der direkten Arbeitskräfte sinken um fast 50%. Ein Verkaufspreis ohne Berücksichtigung von Mehrwertsteuer (Nettoverkaufspreis) würde nun statt 10,43 Euro je Maske bei 7,73 Euro je Maske liegen.

In Szenario 3 haben wir einen Mindestlohn aus China angesetzt. Dieser lag mit 600 Euro vergleichsweise hoch.


Abbildung 5 Cost Breakdown Szenario 3

Die Kostenblöcke, welche mit den Lohnkosten zusammenhängen, reduzieren sich nochmals. Der Nettoverkaufspreis liegt bei 6,50 Euro je Maske entgegen den 7,73 Euro je Maske aus Deutschland.

Wie du in Abbildung 5 sehen kannst schwanken die Preise auf Amazon ganz schön. Mit meiner Kalkulation haben wir jetzt eine neutrale Referenz. Das Bild ist ein Ausschnitt aus meinem You Tube Video.

Abbildung 6 Vergleich der Kalkulation (fairer Preis) mit Preisen von Amazon

Vergleichen wir die errechnen Preise (China = 6,5€/Stk, Deutschland = 10,43 €/Stk) mit den Preisen auf Amazon stellen wir fest, dass die Streuung sehr hoch ist. Diese Betrachtung ist bei weitem nicht repräsentativ! Greifen wir uns die Masken heraus, welche nach meiner Suche auf Amazon auf Platz 1 erscheinen ergibt sich folgendes Bild:

  • Gesichtsschilder aus China kosten zwischen 7,34€ bis 12,12 €/Stk.

  • Ein Gesichtsschild aus den USA kostet 28,24 €/Stk

Der kleinste Preis mit 7,34 €/Stk aus Chinesischer Herstellung ist der Preis, welcher mit nur 12,9% vom kalkulierten Preis (6,50€/Stk) abweicht. Die höchste Abweichung zum Preis, welcher von mir kalkuliert wurde, beträgt 86,46%. Der Preis aus den USA toppt alles. Die USA ist eher mit Deutschland vergleichbar. Unser kalkulierter Preis für Deutschland beträgt 10,43 €/Stk. Die Abweichung zum Preis aus den USA beträgt 170,75 %.

Drei wichtige Punkte müssen wir jedoch berücksichtigen, weil wir die Kosten und Preise aus der analytischen Perspektive betrachten:

  • Die in Abbildung 5 zu sehenden Gesichtsschutzschilder sind nicht mittels 3D-Druck hergestellt. Einige scheinen mittels Schaumspritzguss und andere mittels Spritzguss hergestellt worden zu sein. Diese Technologien könnten trotz höheren Investitionskosten auf Grund Ihres Großseriencharakters zu einer Reduzierung der Kosten führen

  • Die Zertifizierung von Masken ist ein Aufwand der die Kosten und den Preis erhöht. Das ist okay, weil der Käufer dann eine Garantie für sein Produkt erhält.

  • Die Hohen Preisabweichungen zeigen auf, wie groß der Preis von einem fairen Preis auf Grund von Knappheit (Angebot niedriger als Nachfrage) sein kann.

Fazit

Das Ergebnis zeigt, das ein Preis von 10,43 €/Stk von einer in Deutschland hergestellten Maske fair ist. Der Preis kann sinken, wenn ein privater Hersteller aus persönlich sozialen Gründen, auf seine eigenen Lohnkosten verzichtet. Masken aus China sind nochmals günstiger. Ein fairer Preis liegt bei 6,50 €/Stk.

Da wir die Materialkosten, Prozesskette, Prozessdauer und Technologie in jedem Szenario nicht verändern, sehen wir sehr schön die Auswirkungen auf die Herstellkosten und den Preis, wenn sich die Lohnkosten ändern.

Wenn die Corona-Krise sich dem Ende neigt, wird die Nachfrage nach Schutzausrüstung abnehmen. Es ist wahrscheinlich, dass das Angebot die Nachfrage übersteigen wird, weil viele Produzenten gezwungen oder freiwillig in den Markt eingetreten sind. Sie müssen Ihre Investitionen in Technik und Material amortisieren.

Ein Faktor für eine Kaufentscheidung ist der Preis. Höhere Kosten, weil die Masken mit Löhnen in Deutschland produziert worden sind, müssen vom Markt akzeptiert und bezahlt werden ansonsten werden gerade Krankenhäuser, welche vermehrt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geleitet werden, ihr Material dort kaufen, wo es in ähnlicher Qualität günstiger ist. Das heißt unter normalen Bedingungen können wir davon ausgehen, dass Masken aus China gekauft werden.

Gucke dir auch mein Video  zu diesem Thema an. Hier gehe ich tiefer auf die Berechnungen und die Fertigungskosten in der Prozesskette ein. Zudem gebe ich Anregungen für die Kostenoptimierung und Preisverhandlung.

Du kannst die hier und im Video gezeigten Informationen gerne verwenden.

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Sebastian Möller

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3 Insiderbegriffe aus der Kostenkalkulation die du kennen solltest Teil 1/2