Meine Reaktion zur Insolvenz von Görtz und Hakle

Patrick-Ludwig Hentzsch (Creditreform) nutzt die Insolvenzmeldung von Hakle und Görtz, um im Business Insider (Link in den Kommentaren) vor einer Pleitewelle im Winter zu warnen.

Wir schauen uns kurz und knackig die Kernaussagen an.

Kernaussage 1:

Die steigenden Energie- und Materialkosten verstärken die bisher verschleierten strukturellen Probleme so weit, dass die Insolvenz eintritt.[1]

Herr Hentzsch mag auf Grund der Datenmenge und der Anzahl an Unternehmen, mit denen er bei Creditreform in Kontakt steht, zu Recht diese Hypothese aufstellen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein gesundes Unternehmen mit einer wettbewerbsfähigen Kostenstruktur und daraus resultierend gesunden Produkten mit einer guten Marge insolvent geht, weil sich ein oder zwei Umweltfaktoren ändern.

Kurzer Blick in die Praxis: Bei einer Insolvenz, die ich miterleben musste, kamen die folgenden Faktoren zusammen:

  • steigende Materialpreise (Corona)

  • keine korrekte Materialteurungszuschlagsmechanik

  • zu lange Durchlaufzeiten

  • zu lange Zahlungsziele

  • zu niedrig kalkulierte Preise, unvollständige Kalkulationen

  • zu zögerliches Erhöhen von Preisen

  • zu zögerliches Sich-Trennen von unwirtschaftlichen Produkten

  • Vermeidung von nötigem Personalabbau

  • Unterfinanzierung

  • zu späte Reaktion und Prognose der liquiden Mittel

Das sind viele Faktoren. Material- und Energiepreiserhöhungen gaben diesem Unternehmen leider den Rest, womit es wieder in die Insolvenz ging.

Gleiches scheint Görtz und Hakle passiert zu sein.

Kernaussage 2:

„Hakle und Görtz stehen exemplarisch für den deutschen Mittelstand, den steigende Material- und Energiekosten stark belasten.“[2] 

Absolut. Wenn auch nur ein Teil der eben von mir genannten Punkte hinzukommt, dann werden wir noch mehr Insolvenzen haben.

Kernaussage 3:

Hantzsch stellt nun heraus, dass „viele deutsche Unternehmen strukturelle Probleme haben, diese aber nicht beheben“.[3]

Ich kann es mir bei Hakle mit 1.800 Mitarbeitern nicht vorstellen. Hakle beschäftigt sicher einige Controller, Buchhalter und Geschäftsplaner. Die müssen den Zustand aufgenommen und die resultierenden Szenarien prognostiziert haben.

 

Ich würde mir andere Fragen stellen:

  • Was hat das Management mit den Informationen gemacht?

  • Welche Maßnahmen wurden ergriffen?

  • Waren alle Maßnahmen, die zur Optimierung führen, bekannt?

Kernaussage 4:

Hakle kann die gestiegenen Energiekosten nicht an die Verbraucher weiterreichen, weil die Supermärkte Preiserhöhungen blockieren. Das könne nicht alleine der Grund für die Insolvenz sein, weil Hakle durch Hamstereinkäufe sehr hohe Umsätze erzielt.[4]

Da wird mir der Artikel etwas zu dünn. Die Sätze stehen allein für sich selbst, aber der Textabschnitt hat in sich keinen guten Zusammenhang.

Aber gut.

Ja, die Verhandlungsmacht von Hakle und generell allen Unternehmen, die mit Supermarktketten zusammenarbeiten, ist mies. Selbst ein großer Konzern wie Coca Cola ist bei Edeka rausgeflogen, weil sie die Preise erhöhen wollten. Wenn es sich aber nicht rentiert? Dann lieber raus und die Konsequenzen ziehen als mit vollen Büchern und Umsatzrekord in die Insolvenz zu schlittern.

Zum zweiten Teil der Kernaussage:

Im schlimmsten Fall kann es Hakle passieren, dass die Kunden alle im ersten und zweiten Quartal des Jahres hamstern und im dritten und vierten Quartal kein feuchtes Toilettenpapier mehr brauchen. Das ist schlecht für die Auslastung der Produktion.

 Aber:

  • Es wird insgesamt nicht mehr Toilettenpapier verbraucht. 

  • Der Gewinn pro verkauftes Stück bleibt gleich.

  • Der absolute Gewinn bleibt aufs Jahr gesehen gleich.

Wenn die Relation von Kosten zu Preis so schlecht ist, dass Hakle sich kein bequemes Polster mit jedem verkauften Stück Toilettenpapier zulegen kann, dann ist es egal.

Es stellt sich nur die Frage, wann das Geld alle sein wird und die Insolvenz eintritt.

Ich sehe es als wahrscheinlich an, dass mit den Hamsterkäufen und den kontinuierlich steigenden Material- und Energiekosten die Insolvenz um einige Monate hinausgezögert werden konnte, weil durch die Hamsterkäufe der Geldspeicher (absoluter Gewinn) etwas besser gefüllt war.

Ansonsten wäre Hakle etwas sanfter und langsamer hinausgedriftet.

Kernaussage 5:

Als Indikator, ob ein Unternehmen auf dem Weg zur Unprofitabilität ist, gibt Hantzsch an, dass der Gewinn höher oder ähnlich hoch ist wie die Tilgungskosten für Kredite.[5]

Wenn der Gewinn gleich wieder in die Tilgung von Krediten fließt, braucht es wirklich nur einen Schubser, damit das Geschäftsmodell zusammenstürzt, weil die kleinste Kostenerhöhung dazu führt, dass die Aufwendungen den Umsatz übersteigen, das Betriebsergebnis negativ wird und Geld vom Konto abfließt.

Meine Reaktion im Meeting:

Lasst und jetzt sofort rund um die Uhr daran arbeiten, unsere Kosten zu reduzieren und die Preise zu erhöhen.

Die Kredite müssen auf ein gesundes Maß runter und das Konto muss sich wieder füllen.

Ohne Spaß. Ich glaube, in so einer Situation will niemand stecken.

Das heißt nämlich, dass das Geld aus den Krediten für irgendetwas verbrannt wird, das nicht zur Optimierung führt.

Das Geld muss in die Optimierung fließen, welche messbare Resultate liefern soll.

Kernaussage 6:

Die Politik greift in den Markt ein und setzt durch Gießkannensubventionierung
falsche Anreize.[6]

Nachvollziehbar.

Es musste schnell reagiert werden.

Die einfachste Lösung: Jeder bekommt Geld.

Daraus kann ein negativer Lerneffekt resultieren.

Das kann man so oder so diskutieren. Da gibt es für beide Seiten gute Argumente.

Aber die Auslese hätte früher stattgefunden.

 

Die Empörung wäre noch größer gewesen, hätte man alle, die so etwas nicht selbst abfedern können, vor die Hunde gehen lassen und danach den Wiederaufbau gefördert.

 

Es war schon krass und ist es immer noch. Einprägsamer und schlimmer wäre es ohne Subventionierung gewesen. Je schlimmer die Erfahrung, desto größer der Lerneffekt. Der Mensch braucht Krisen, weil diese Veränderungsbereitschaft wecken. Der Mensch ist träge und will sich nicht verändern. Wird die Krise abgeschwächt, wird die Veränderung abgeschwächt. Zum Überleben trägt eine Abschwächung nicht bei. Es hängt aber davon ab, wie sehr durch Subventionierung abgeschwächt wird. Ist die Krise dennoch sehr heftig, dann müssen wir daraus lernen und uns anpassen. Ist die Krise durch die Subventionierung nicht mehr spürbar, dann lernen wir das Falsche, nämlich, dass wir gerettet werden.

Besser fahren die, die sich auch ohne Krise ständig hinterfragen.

Kernaussage 7:

Sanierungsbedürftige Unternehmen binden Kapital und wertvolle Arbeitskräfte. Wenn diese Unternehmen vom Markt verschwinden, stärkt das die Unternehmen, die bleiben.[7]

Ja!

Aber was weg ist, ist weg. Ich habe es in einigen Branchen mitbekommen. Es verschwinden mehr deutsche Betriebe als hinzukommen.

Ich hoffe nur, dass Ihr Unternehmen nicht dabei ist.

Wir müssen die Herausforderungen, die da sind, klug lösen.

Fachkräftemangel muss durch Optimierung gelöst werden.

Zu lange Durchlaufzeiten und zu hohe Kosten? Optimierung!

Meine Erfahrung zeigt, dass die Potenziale da sind. Sie befinden sich in jedem Unternehmen.

In dem Sinne. Seien Sie kritisch mit Ihrem Unternehmen!

BG
Sebastian Möller

[1] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/handel/die-energiepreise-sind-nicht-der-einzige-grund-fuer-die-insolvenzen-von-goertz-und-hakle-sagt-dieser-experte-und-warnt-vor-weiteren-pleiten/?tpcc=offsite_bi_facebook_bi_free, 09.09.2022

[2] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/handel/die-energiepreise-sind-nicht-der-einzige-grund-fuer-die-insolvenzen-von-goertz-und-hakle-sagt-dieser-experte-und-warnt-vor-weiteren-pleiten/?tpcc=offsite_bi_facebook_bi_free, 09.09.2022

[3] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/handel/die-energiepreise-sind-nicht-der-einzige-grund-fuer-die-insolvenzen-von-goertz-und-hakle-sagt-dieser-experte-und-warnt-vor-weiteren-pleiten/?tpcc=offsite_bi_facebook_bi_free, 09.09.2022

[4] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/handel/die-energiepreise-sind-nicht-der-einzige-grund-fuer-die-insolvenzen-von-goertz-und-hakle-sagt-dieser-experte-und-warnt-vor-weiteren-pleiten/?tpcc=offsite_bi_facebook_bi_free, 09.09.2022

[5] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/handel/die-energiepreise-sind-nicht-der-einzige-grund-fuer-die-insolvenzen-von-goertz-und-hakle-sagt-dieser-experte-und-warnt-vor-weiteren-pleiten/?tpcc=offsite_bi_facebook_bi_free, 09.09.2022

[6] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/handel/die-energiepreise-sind-nicht-der-einzige-grund-fuer-die-insolvenzen-von-goertz-und-hakle-sagt-dieser-experte-und-warnt-vor-weiteren-pleiten/?tpcc=offsite_bi_facebook_bi_free, 09.09.2022

[7] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/handel/die-energiepreise-sind-nicht-der-einzige-grund-fuer-die-insolvenzen-von-goertz-und-hakle-sagt-dieser-experte-und-warnt-vor-weiteren-pleiten/?tpcc=offsite_bi_facebook_bi_free, 09.09.2022

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